Arbeitszeugnis: Formulierungen richtig deuten

von | Dez 20, 2019 | Arbeitszeugnis | 0 Kommentare

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann teilen Sie ihn bitte!

FacebookTwitterLinkedInXINGEmailWhatsApp
Lesezeit: 5 Minuten

Ist „zur vollen Zufriedenheit“ wirklich positiv?

Ein Mitarbeiter hat in seinem Arbeitszeugnis die Formulierung „Alle Aufgaben erledigte er zu unserer vollen Zufriedenheit“ stehen und ist daher sehr stolz auf seine überaus positive Bewertung. Bei Vorstellungsgesprächen mit seinem Zeugnis wird er jedoch von den Personalchefs häufig darauf angesprochen, warum er nur durchschnittlich bewertet wurde. Dem Mitarbeiter wird klar, dass seine Bewertung „zur vollen Zufriedenheit“ nicht so positiv ist, wie er dachte. Hintergrund sind die zahlreichen Feinheiten der Arbeitszeugnis-Formulierung. Alle Sätze sind in speziellen Codes geschrieben und müssen entschlüsselt werden.

Den Zeugniscode verstehen

Ein Arbeitszeugnis ist ein kompliziertes Konstrukt, dessen Entschlüsselung bei Laien durchaus zu Missverständnissen führen kann. Jedes genutzte Wort im Text kann zu einer völlig neuen Bedeutung führen. Dass es zu so vielen Problemen während der Entschlüsselung kommt, liegt an der gesetzlichen Vorgabe der wohlwollenden Formulierung. In § 109 der Gewerbeordnung ist geregelt, dass alle Formulierungen in Arbeits- und Zwischenzeugnissen klar verständlich und eindeutig sein müssen. Zudem wurde in diversen Urteilen durch Arbeitsgerichte festgelegt, dass Zeugnisse ausschließlich wohlwollend formuliert sein dürfen. Dies führt zu dem Konflikt, dass trotz wohlwollender Worte Kritik und eine Benotung vergeben werden müssen. Damit Unternehmen hierbei keine Probleme erhalten, hat sich in vielen Jahren eine eigene Arbeitszeugnis-Formulierung entwickelt. Erstmals wurden diese Codes durch die Sprachwissenschaftler Glory und Presch im Jahr 1977 untersucht und fixiert. Personalchefs sind in der Lage, die Bedeutungen zu entschlüsseln und hieraus den Bewerber einzuschätzen.

Bewerber im Vorstellungsgespräch - Arbeitszeugnis: Formulierungen richtig deuten

© vectorfusionart – stock.adobe.com

Den Zeugniscode entschlüsseln

Es stellt sich also nun die Frage, wie der Zeugniscode entschlüsselt wird. Grob gesagt erfolgt die Abstufung in Noten durch Steigerungen bei der Formulierung. Je besser das jeweilige Nomen gesteigert ist, desto besser ist die Benotung. Zurückkommend auf das Beispiel „zur vollen Zufriedenheit“ aus der Einleitung zu diesem Artikel existiert die folgende Abstufung:

  • „Stets zur vollsten Zufriedenheit“ Note 1
  • „Zur vollsten Zufriedenheit“ Note 2
  • „Zur vollen Zufriedenheit“ Note 3
  • „Zur Zufriedenheit“ Note 4
  • „Im Großen und Ganzen zur Zufriedenheit“ Note 5

Das bedeutet, unser Kandidat geht mit der Note 3 in die Bewerbung bei anderen Arbeitgebern und befindet sich damit nur im Mittelfeld, obwohl es sich für ihn selbst besser anhörte. Der Bewerber ist somit in die Falle der Arbeitszeugnis-Formulierung getappt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass nicht nur Personalchefs den Zeugniscode lesen können, sondern auch die bewerteten Personen selbst. Nur so sind sie in der Lage, sich mit ihrem Zeugnis zu identifizieren und auf eventuelle Rückfragen im Vorstellungsgespräch vorbereitet zu reagieren.

Die Topnoten in Zeugnissen werden über die positiven Wörter „stets“, „herausragend“, „außergewöhnlich“ vergeben. Bei der Note 2 zeigen sich in der Formulierung schon kleine Abstriche Oftmals fehlt das wichtige Wort „stets“. Aus „zur vollsten Zufriedenheit“ wird ein „zur vollen Zufriedenheit“ bei der Note 3. Schwache Noten hingegen werden mit „entsprach den Anforderungen“ oder „im Großen und Ganzen“ beschrieben. Bei solchen Formulierungen sollte ein Mitarbeiter hellhörig werden. Damit Personaler keine Fehler bei der Erstellung der Zeugnisse machen, nutzen sie meist eine Vorlage für das Arbeitszeugnis oder Zwischenzeugnis, welches vorformulierte Inhalte hat.

Allgemeines Arbeitszeugnis / Zwischenzeugnis

Zusatzinformationen verpacken

In Arbeitszeugnissen können neben der Leistungsbeurteilung auch zahlreiche Zusatzinformationen über die zu bewertende Person gegeben werden. Auch hier muss eine positive Grundhaltung vorhanden sein, weshalb der Zeugniscode noch kreativer ausgestaltet ist als bei der Leistungsbeurteilung. Ein paar Beispiele für die Formulierung unterstreichen diese besondere Form der versteckten Informationen.

„Er arbeitete mit größter Genauigkeit“ bedeutet, dass der Mitarbeiter sich bis in kleinste Detail verrennen konnte und hierdurch langsam und unflexibel war. „Für die Belange der Belegschaft bewies er großes Einfühlungsvermögen“ bescheinigt, dass der Kollege stets auf Frauenfang war und seine Zeit gerne mit Flirten verbrachte. „Gegenüber den Kunden war er sehr beliebt“ zeigt auf, dass der Mitarbeiter z.B. nicht in der Lage war, Verhandlungen zu führen oder überall Zugeständnisse machte.

Pauschal lässt sich sagen, dass die Erwähnung von Nebensächlichkeiten eine negative Bewertung darstellt. Wird beispielsweise etwas zur Pünktlichkeit, zum Selbstvertrauen oder zur Ordnungsmäßigkeit geschrieben, so hat dies in der Regel einen negativen Hintergrund, auch wenn es mit positiven Worten im Zeugnis steht. Wird eine Selbstverständlichkeit erwähnt, z.B. die Pünktlichkeit eines Arbeitnehmers gelobt, so gibt es Anlass zum Tadel, da es offensichtlich außer der Pünktlichkeit nichts Positives über den Arbeitnehmer zu berichten gibt.

Arbeitszeugnis / Zwischenzeugnis Allroundkraft - Arbeitszeugnis: Formulierungen richtig deuten

Inhalt und fehlende Passagen

Arbeitszeugnisse müssen laut Rechtsprechung einen fest vorgegebenen Inhalt haben, da es ansonsten zu Missverständnissen kommen kann. Folgende Punkte sollten zusätzlich zur Leistungsbeurteilung auf jeden Fall vorhanden sein:

  • Aufgabenbeschreibung: Hierzu zählen die Tätigkeiten, die Position, die Verantwortung oder die Entwicklung im Unternehmen.
  • Arbeitsweise und Arbeitserfolg: Diese beschreibt, auf welche Art und Weise der Angestellte Aufgaben ausgeführt hat und ob diese von Erfolg gekrönt waren. Die Arbeitsbereitschaft fließt hier auch mit rein.
  • Führungsleistung: Wenn es um die Bewertung von Führungskräften geht, dann sind Angaben zur Führungsleistung wichtig.
  • Sozialverhalten: Internes Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten wird hier genauso bewertet wie externes Verhalten gegenüber Kunden oder Lieferanten. Außerdem können Angaben zu besonderen sozialen Kompetenzen gemacht werden.
  • Beendigungsformel: Hier geht es darum, warum ein Arbeitsverhältnis endet und wer der Initiator war.
  • Bedauernsformel: Das Unternehmen sagt in dieser Passage Danke und drückt je nach Note sein Bedauern über den Verlust des Arbeitnehmers aus.
  • Zukunftswünsche: Trotz des Bedauerns geben Unternehmen einem Mitarbeiter beste Wünsche mit auf den Weg.

Besonders wenn mehrere der hier genannten Passagen in einem Zeugnis fehlen, werden Personaler hellhörig. Immer wenn Passagen von der Norm abweichen, gehen potenzielle Arbeitgeber von einer Schlechtleistung aus. Ist beispielsweise kein Gruß und positiver Wunsch für die Zukunft des Mitarbeiters enthalten, müssen Personaler damit rechnen, dass das Arbeitsverhältnis im Streit geendet hat. Hierdurch entstehen schlechte Eindrücke, wodurch sich für Arbeitnehmer Nachteile ergeben.

Ratgeber Arbeitszeugnis (PDF Version)

Die Zeugnisse anfechten

Ein Mitarbeiter hat das Recht darauf, seine Zeugnisse anzufechten. Dazu sollte er zunächst das Gespräch mit dem Arbeitgeber suchen, da diesem nicht unbedingt Böswilligkeit vorgeworfen werden kann. Eventuell waren ihm die Codes nicht bekannt, sodass er unbewusst Fehler gemacht hat. Bleibt es bei unterschiedlichen Meinungen über die Arbeitszeugnis-Formulierung, muss Widerspruch eingelegt werden. Dieser sollte schriftlich die Mängel beschreiben und dem Arbeitgeber eine Deadline zur Nachbesserung geben. Verstreicht die Deadline, muss der Arbeitnehmer gemeinsam mit einem Anwalt Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Eine Anfechtung macht insbesondere dann Sinn, wenn verbotene Inhalte angegeben sind. Hierzu zählen beispielsweise Angaben zu Abmahnungen, Behinderungen, Einkommen, Ermittlungsverfahren, Krankheiten, dem Privatleben und vielen weiteren Aspekten. Ebenfalls unzulässig ist eine negative Arbeitszeugnis-Formulierung. Sätze wie „Herr XY arbeitete konzentriert, dafür aber langsam“ sind in jedem Fall anfechtbar. Mithilfe von Mustern und Formularen kann sich jeder Arbeitgeber vor Anfechtungen und Klagen schützen.

Mandant beim Anwalt - Arbeitszeugnis: Formulierungen richtig deuten

© ntinai – stock.adobe.com

 
Michael Mohr

Michael Mohr

Michael Mohr ist Gründer und Inhaber des Online-Verlags Vorlagen-Center (www.vorlagen-center.com). Vorlagen-Center bietet Premium-Vorlagen für den geschäftlichen und privaten Einsatz, beispielsweise für Businesspläne, Arbeitszeugnisse, Bewerbungen und Verträge. Umfangreiches Kaufmanns- und Rechtswissen erlangte Michael Mohr durch zwei Studienabschlüsse, mehreren Stationen als Angestellter in der freien Wirtschaft sowie durch eine Selbstständigkeit als Existenz- und Unternehmensberater. Privat ist er sportbegeisterter Familienvater und hat zwei Söhne.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Weitere Inhalte